Bildgebungsstudie

Was im Gehirn bei der Klopftherapie passiert

Im Dezember 2020 wurde vom Forschungsteam und Dr. Matthias Wittfoth die weltweit erste funktionelle MRT Studie zum Klopfen veröffentlicht!

Aktuell

Die Gehirnaktivität zeigt eine andere Art, Gefühle zu regulieren

Egal, ob Sie für sich selbst nach einer Lösung suchen und diese Art von Therapien an Sie herangetragen wurde oder ob Sie TherapeutIn sind, der/ die nach Wirksamkeitsbelegen sucht oder ob Sie nur ein allgemeines Interesse an dieser Art der körperbezogenen Intervention haben, im Folgenden wird Ihnen eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit, die das Klopfen zum ersten Mal mit funktioneller Bildgebung untersucht hat, vorgestellt und erläutert werden.

Klopftherapie, Tapping, Emotional Freedom Technique (EFT), PEP.

Alle diese therapeutischen Techniken basieren auf dem einfachen Prinzip, bestimmte Körperpunkte mit einem oder mehreren Fingern rhythmisch zu beklopfen, um somit Stress und die dem Stress zugrundeliegenden Themen zu lindern und im besten Falle aufzulösen. Dies scheint für viele auf den ersten Blick ziemlicher Unsinn zu sein, doch wer diese Klopftechniken schon einmal selbst bei belastenden Themen ausgetestet hat, weiß, dass diese erstaunlich effektiv sein können. Ich selbst nutze diese Methode bei meinen KlientenInnen sehr häufig.

Eine entscheidende Fähigkeit, die uns Menschen erfolgreich in der Gesellschaft funktionieren lässt, ist die Steuerung unserer Emotionen. Bei den bisherigen Forschungsuntersuchungen bezüglich der Emotionsregulation unterscheidet man sowohl explizite, als auch implizite Strategien der Gefühlssteuerung. Andere wiederum differenzieren zwischen intrinsischer, also selbst generierter Emotionsregulation, und extrinsischer, also von der Umgebung gesteuerter Emotionsregulation.

Explizite Emotionsregulation ist eine willentliche Steuerung, die ein gewisses Maß an Bewusstheit und Überwachung und für gewöhnlich ein gewisses Maß an Wachheit und Einsichtsfähigkeit verlangt.

Beispiele wären das sogenannte Reappraisal oder Detachment, also das Umdeuten von Situationen oder die emotionale Abgelöstheit. Auch das Unterdrücken von bestimmtem Verhalten, wie z.b. das „Pokerface“, gehört hierunter.

Implizite Emotionsregulation ist dem entgegengesetzt und automatisch und nicht intentional. Sie ist nicht bewusst und erfordert keine freie Kontrolle oder Überwachung über die Emotionen. Sie wird vom Stimulus selbst hervorgerufen und wird häufig verursacht durch eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen der aktuellen emotionalen Antwort und unbewussten übergeordneten Zielen. Zu dieser Art von Strategien der Gefühlskontrolle gibt es bereits zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, sowohl auf der Verhaltensebene, als auch mittels funktioneller neurowissenschaftlicher Bildgebung.

Kaum untersucht wurde bislang die Rolle, die der eigene Körper bei diesen Mechanismen spielt.

Aus diesem Grund hatten mein Team und ich (in Kooperation mit dem deutschen Psychiater Dr. Michael Bohne, der eine dieser Klopftherapien „PEP“ entwickelt hat) beschlossen, zu untersuchen, welche Gehirnaktivität beim Klopfen bzw. bei der Stressreduktion durch das Klopfen zu beobachten sind.

Dazu wurden junge gesunde Versuchspersonen an der Medizinischen Hochschule Hannover und an der Universität Hannover rekrutiert, die im Versuch mehrere Fragebögen zu Angst, Depression und zur ihren allgemeinen alltäglichen Emotionsregulationsstrategien beantworten sollten.

Versuchsablauf

Alle wurden für eine erste Runde ins MRT gelegt und bekamen eine Reihe von Bildern gezeigt, die sie hinsichtlich der dargestellten Negativität beurteilen sollten. Diese Bilder waren entweder inhaltlich neutral oder zeigten Szenen, die Angst auslösend oder Ekel erregend waren. Nachdem sie aus dem Scanner kamen, wurden unsere Versuchspersonen von einem naiven Instructor angeleitet, eine bestimmte Abfolge von 16 Körperpunkten zu klopfen, während sie an das für sie negativste Bild denken sollten.

Nach einer kurzen Zwischenentspannungsphase wurde das Klopfen für eine weitere Runde wiederholt. Dabei wurde mehrmals abgefragt wie unangenehm unsere Versuchsperson sich fühlen während sie an das besagte negative Bild dachten. Hatte sich etwas geändert, blieb es gleich oder wurde es besser? Das war es, was wir erfassen wollten.

Die Besonderheit im Hinblick auf unsere Instructoren und die Versuchspersonen war, dass beide nicht informiert wurden, dass das Klopfen irgendeine stressreduzierende Wirkung hätte und natürlich auch nicht darüber, was das Ziel dieser ganzen Studie letztendlich beinhaltete.

Dadurch wurde der Versuchsaufbau quasi pseudo-verblindet, denn wir wollten ausschließen dass unsere Laieninstrukteure mit ihrer Anleitung ein bestimmtes Ziel bewusst verfolgten. Und ganz besonders wollten wir den Einfluss von erfahrenen Therapeuten ganz beiseite lassen.

Nun wurden unsere Versuchspersonen für einen zweiten Lauf in den Scanner geschoben. Wieder sahen sie ein Bilderset von neutralen, angst- oder ekelerregenden Bildern, die so ausgewählt wurden, dass sie dem Bilderset des ersten Laufs bezüglich Komplexität, Inhalt, Farbe und Helligkeit innerhalb der emotionalen Bedingungen entsprachen.

Doch nun bekamen die Versuchspersonen eine bestimmte Aufgabe gestellt. Sie sollten beim Anschauen jedes Bildes, ihre drei favorisierten Punkte klopfen, jedoch nur im Kopf vorgestellt, damit Bewegungsartefakte, die eigentliche Aufnahme des Gehirns nicht störten. Denn man kann sich so eine Bildgebungsprozedur vorstellen wie einen Fotoapparat, der durch zu viel Bewegung eben auch nur unscharfe Bilder produziert.

Auch hier wurden alle gebeten, jedes Bild oft die gefühlte Negativität hin zu bewerten.

Zusammengefasst kann man also sagen, wir haben eine Messung von unseren Versuchspersonen erhalten, bei der sie lediglich die Bilder anschauen und alle Gefühle, die dabei entstünden, unreguliert zulassen sollten. Und wir haben eine Messung, die wir nun  damit vergleichen konnten, bei der die Versuchspersonen eine gedachte Klopftherapie beim Anschauen dieser negativen Bilder durchführten. Dies konnten wir so machen, weil durch zahlreiche Untersuchung bekannt ist, dass sich die Gehirnaktivität von realer und gedachte Bewegung sehr gut vergleichen lässt.

In der Hirnforschung wissen wir, dass ganz besonders zwei Gehirnareale entscheidend für diese Art von Steuerungsfähigkeit sind: das ist zum einen der ventrale anteriore zinguläre Kortex (vACC), und zum anderen die Amygdala.

Bislang hat man herausgefunden dass der vACC in die emotionale Konfliktregulation und in die Hemmung von Angst, sowie in die Aufrechterhaltung eines Sicherheitsgefühls involviert ist. Diese Gehirnregion ist durch axonale Fasernstränge stark gekoppelt mit anderen limbischen und präfrontalen Arealen, wobei häufig beobachtet wurde, dass deren neuronales Antwortmuster anti-korreliert mit dem Antwortmuster der Amygdala ist.

Dies bedeutet, das die Aktivität im vACC häufig erhöht wird, wenn zugleich neuronale Aktivität in der Amygdala reduziert ist.

Ergebnisse

Das Spannende an den Ergebnissen unserer Studie ist, dass hier genau das Gegenteil beobachtet wurde. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Emotionsregulationsstrategien wird durch das Klopfen die Amygdala mehr aktiviert, während der vACC weniger aktiv ist.

Wir haben es hier also mit einer anderen Art von Regulation zu tun, die im Gegensatz zu den bisher untersuchten ein körperliches Signal, nämlich das Klopfen auf Körperpunkte, für die Gefühlsverarbeitung nutzt.

Häufig werden diese Arten von Klopftherapien auch als bifokale multi-sensorische Methoden bezeichnet, was bedeutet, während der Therapie fokussiert sich der Klient auf den belastenden Stress, aber hat auch gleichzeitig ein neues sensorisches, häufig selbstgeneriertes Signal, in unserem Fall das Klopfen, wobei es aber auch Therapien gibt, die Gerüche, den Gleichgewichtssinn oder Augenbewegung nutzen, um der Stressverarbeitung ein neues, ungewöhnliches Muster entgegenzusetzen.

Es scheint, dass die Mehraktivierung der Amygdala beim vorgestellten Klopfen möglicherweise den Zugang zu den erlebten Emotionen besser eröffnet und einen ganz anderen Weg der Verarbeitung aufzeigt. Um in dem Bild der zu Anfang gemachten Kategorien der verschiedenen Emotionsregulationsstrategien zu bleiben, könnte man hier von einem beiläufigen Prozess der Regulation sprechen, da unseren Versuchspersonen ja nicht klar war, dass es um die Überwachung und Beeinflussung ihren Gefühle ging.

Natürlich ist dies eine erste Studie zu den Gehirnprozessen beim Klopfen, und erste Studien, wie alle ersten Versuche weisen zuweilen einige Mängel auf, doch nichtsdestotrotz sind die Ergebnisse sehr vielversprechend und werden den Weg zu weiteren Forschungsarbeiten bezüglich dieser Art von körperbezogenen Therapien ebnen.

Es ist schon sehr erstaunlich, dass wir überhaupt deutliche Unterschiede zwischen diesen beiden Bildersets gefunden haben, obwohl nur visuell-vorgestellt geklopft wurde und obwohl die Versuchspersonen keine Ahnung hatten dass es um Gefühlsregulation ging.

Wichtig ist auch zu beachten, dass im Gegensatz zu therapeutischen Situationen eben keine persönlichen Themen bearbeitet wurden, sondern nur die Reaktion auf negative Bilder.

Die klinische Erfahrung zeigt ,dass wir mit unserer Studie höchstwahrscheinlich nur den ersten, ein paar Sekunden dauernden Prozess abbilden konnten, der für gewöhnlich mehrere Minuten andauert und den Stress von Klienten auflösen kann.

Zu Finden die die veröffentlichte Studie frei erhältlich beim Journal BMC Neuroscience.

Emotion regulation through bifocal processing of fear inducing and disgust inducing stimuli.

 & 

BMC Neuroscience volume 21, Article number: 47 (2020)

Studie

Emotion regulation through bifocal processing of fear inducing and disgust inducing stimuli

 & 

BMC Neuroscience volume 21, Article number: 47 (2020)

Abstract

Background

We present first-time evidence for the immediate neural and behavioral effects of bifocal emotional processing via visualized tapping for two different types of negative emotions (fear and disgust) in a sample of healthy participants.

Results

Independent of stimulus type, neural activation in the amygdala is increased during regulation, while activation in the ventral anterior cingulate cortex is decreased. Behavioral responses, as well as lateral and medial occipital regions and the dorsolateral prefrontal cortex show differential regulatory effects with respect to stimulus type.

Conclusions

Our findings suggest that emotion regulation through bifocal processing has a neural and behavioral signature that is distinct from previously investigated emotion regulation strategies. They support theoretical models of facilitated access to and processing of emotions during bifocal processing and suggest differential neural and behavioral effects for various types of negative emotions.